Montag, 5. Juli 2010
Verkauft und trotzdem hungrig!

Montag, 5. Juli 2010

Vor ca. einer Woche haben wir erfahren müssen, dass unser Unternehmen von dem Chemieriesen BASF gekauft worden ist. Das ein Verkauf ansteht, wussten wir schon länger. Dass es so schnell geschieht, war dann doch eine Überraschung. Meine Kollegen und ich trugen es mit Fassung. Die Sorge um den Arbeitsplatz war jedoch sehr gegenwärtig.

Mittlerweile ist wieder "business as usual" angesagt und auch die Stimmung im Büro ist wie vorher. Zumindest was ich so mitbekomme. Und da alles seinen gewohnten Gang geht, hatte ich erneut das Vergnügen, eine neue Mitarbeiterin bei einem Wilkommens-Mittagessen mit begrüßen zu dürfen. Bei dieser Gelegenheit ereignete sich eine Situation, die auch in meinen Büchern Der China Knigge und Geschäftlich in China beschrieben wurde:

Der Hauptgast / Ranghöchste schaut mit dem Gesicht zur Tür. Bis die besten Folgeplätze besetzt sind, kann es dauern: Jeder möchte aus Höflichkeit dem anderen den Vortritt lassen.

Genau so trug es sich zum Mittagessen zu. Unter den 15 anwesenden Mitarbeitern befanden sich drei Führungskräfte. Da unser Essen in einem separaten Raum stattfand, der nicht viel größer war als der Tisch, der in ihm stand, musste man der Reihe nach eintreten. Niemand wollte den Anfang machen. Nach einem ewigen Hin und Her machte schließlich die ranghöchste Person den Anfang. Die beiden anderen Führungskräfte setzten sich wenig später daneben, so dass letztendlich alle drei mit dem Gesicht zur Tür am Tisch saßen. Auch der erste Bissen steht dem Ranghöchsten zu, der dadurch gleichzeitig das Essen eröffnet.

Das Essen war wie immer köstlich und am liebsten hätte ich alle Gerichte selbst gegessen ;)



Sonntag, 4. Juli 2010
Sonntagsausflug auf Chinesisch

Montag, 5. Juli 2010

Gestern habe ich meine erste Busreise unternommen und den sicheren Hafen Shanghais verlassen. Mein Ziel war das 1,5 Stunden entfernte Wasserdorf "Zhouzhuang". Nachdem ich eine Stunde lang nach dem Busbahnhof am Shanghai-Stadion gesucht und dabei das riesige Sportareal einmal komplett umrundet hatte, kam ich endlich am versteckten Busbahnhof an. Voller Vorfreude wollte ich sodann mein Ticket buchen. Mein eigentliches Ziel sollte der höchste Berg Shanghais (mit 100 Metern - wie süß) im National Forest Park "She Shan" werden. Da es hier im Moment unerträglich heiß und schwül ist, sehnte ich mich nach schattigen Bambuswäldern und ein wenig Ruhe. Leider wurde der Bus gestrichen. Meine Alternative war ein pittoreskes Dorf in der Nähe - Bus ebenfalls abgesagt. Ja was fährt denn überhaupt noch, fragte ich und so landete ich im wohl größten und populärsten Wasserdorf der Region.

Der Bus war voll und die Reise zum Wasserdorf durch das Umland spannend. Am Ziel angekommen, fühlte ich mich sofort an einen Satz aus meinem Reiseführer erinnert: Meiden sie das Reisen am Wochenende, denn da ist halb China unterwegs. Ja, das kann ich bestätigen. Vor dem Wasserdorf parkten Massen an Bussen und Menschenströme eilten auf das Dorf zu. Oh Gott, also kein entspanntes Bummeln durch das romantische kleine Fischerdorf, das aus allen Nähten zu platzen drohte!

Auf den Schreck musste ich erst einmal etwas essen. Nach einem überteuerten und versalzenen "Drunken Chicken" (ertränktes Huhn), was nicht mehr als gepökeltes Federviehfleisch war und ich mich an dieser Stelle lieber selbst in Reiswein ertränkt hätte, ging es weiter. Schnell stellte sich heraus, dass Chinesen lieber bummeln und einkaufen, als die zu Museen umgestalteten uralten chinesischen Häuser zu besuchen. So fand ich dann doch meine ersehnte Ruhe in all dem Gewühl, indem ich mich von Museum zu Musem vorarbeite. Trotz der vielen Menschen entwickelte sich der Ausflug zu einem total schönen Nachmittag.

Nach drei Stunden Sightseeing und kollektivem Schwitzen bei 38 Grad Celsius im Schatten, ging es gegen 17 Uhr zurück zum Bus. Keine Minute später und ich wäre von den vom Himmel herabstürzenden Wassermassen bis auf die Knochen durchnässt worden. Die Regenzeit wird ihrem Namen wirklich gerecht. Seit einigen Tagen wache ich nachts regelmäßig durch Wolkenbrüche auf, die ihresgleichen suchen. Diese Phase hält wohl noch vier Wochen an. Dann kommt die heiße Periode. Da frage ich mich doch ernsthaft, wie heiß es denn noch werden soll????




Wasserdorf "Zhouzhuang"









Donnerstag, 1. Juli 2010
Ausgesaugt!

Donnerstag, 1. Juli 2010

Also so was habe ich noch nicht erlebt, dass mich Mücken dermaßen trietzen: Irgendwann schwirrten mindestens ein Dutzend Mücken in meinem Apartment umher. Irritiert durch diese Vielzahl, checkte ich die Fliegengitter an meinen Fenstern. Leider musste ich feststellen, dass doch das ein oder andere Schlupfloch vorhanden ist. Da war es aber schon zu spät und die Biester bereits am Nuckeln.

Zwei Nächte hintereinander habe ich kaum schlafen können, da ich nur damit beschäftigt war, mir die Viehcher vom Leib zu halten. Witzigerweise habe ich feststellen können, das Mücken individuelle Töne beim Surren abgeben. Irgendwann wusste ich, ah, fette Mücke A mit dem tiefen Surren ist im Anmarsch, ah, und jetzt kommt Mücke B mit dem aggressiven hohen Surrton und jetzt ist Babymücke mit dem zarten Surren im Anflug. In der dritten Nacht entschied ich mich, den Abwehrkampf aufzugeben, die Decke bis unter die Augen zu ziehen und etwas zu schlafen. Aber nichts da! Die Vampire stürtzten sich einfach auf meine Stirn. Super! Also opferte ich meinen rechten Arm und hielt ihn den Blutsaugern zum Fraße hin.

Am nächsten Morgen, und ich übertreibe nicht, war mein Arm übersäht mit Mückenstichen. Ich war zwar ausgeschlafen, aber dafür sah ich aus, als ob ich die Pocken oder irgend eine andere Hautkrankheit hätte. Meine Kolleginnen im Büro, welche in der Regel eher zurückhaltend auf Äußerlichkeiten reagieren, sprachen mich direkt auf meinen Arm an. Einen Tag später hatte ich ein Erste-Hilfe-Anti-Mücken-Paket auf meinem Schreibtisch mit folgendem Inhalt stehen: zwei elektrische Anti-Mücken-Duftstoffversprüher, Zitronelladuftöl mit Teelicht und Duftöl zum Einreiben der Haut. Meine Mama empfahl mir ein altes Hausmittel - mit Nelken bestückte halbierte Zitronen.


Kurze Zeit später erfreute uns die Hausverwaltung mit der Nachricht, die chemische Keule gegen die Nervensägen einzusetzen. All diese Maßnahmen zusammen, haben tatsächlich die meisten Mücken vertrieben und vernichtet :)



Mittwoch, 30. Juni 2010
Shopping-Marathon

Mittwoch, 30. Juni 2010

Meine Arbeitskollegin Shirley ist im siebten Monat schwanger, weswegen sie im wohl populärsten buddhistischen Tempel Shanghais, dem Jing'an Tempel, für ihr ungebohrenes Kind beten gehen wollte. Sie fragte mich, ob ich sie begleiten wolle und so saßen wir letzten Samstag gegen halb Elf in der Metro Richtung Innenstadt. Am Ziel angekommen, purzelten wir aus der Metro raus und direkt eine Etage höher in den Tempel rein - wie praktisch! Das besondere an dieser Tempelanlage ist ihre Lage - mitten in Downtown Shanghai ist der Tempel regelrecht von Hochhäusern umzingelt. Der Kontrast ist atemberaubend und auch ein bisschen symptomatisch für Shanghai. Das Alte muss seine Position behaupten, um nicht von der rasant wachsenden Moderne des 21. Jahrhunderts verschluckt zu werden.

Während Shirley betete, schaute ich mich auf dem Tempelgelände um. Wie so oft in Shanghai herrschte ein emsiges Treiben und Wuseln. Mönche flitzten mit ihren Smartphones über die Tempelanlage, überall wurde andächtig mit Räucherstäbchen durch die Luft gewedelt, Geld klirrend in irgendwelche Boxen oder Gefäße geworfen und sich angeregt mitreinander unterhalten. Dabei fiel mir auf, dass sehr viele Junge Leute hier waren. Später erklärte mir Shirley, dass aufgrund der rasanten Veränderungen der letzten Jahre insbesondere die jüngere Generation zunehmend mit wachsenden privaten Belastungen und beruflichen Anforderungen zu kämpfen hätte. Um die Probleme zumindest in unserem Alltag klein zu halten, versuchten Shirley und ich eine Münze in die Öffnung eines Schreins zu werfen. Das soll Glük bringen. Wir haben beide getroffen :)




Nach dem obligatorischen Besuch der Tempelanlage, einer leiblichen Stärkung und dem Besuch einer Expo Veranstaltung, ging es, zumindest für Shirley, zum angenehmen Teil des Nachmittags über - zum Shoppen. Ich dachte bei mir, kann ja nicht so lange dauern, da sie immerhin schon im siebten Monat schwanger ist. Weit gefehlt! Bei den ersten zehn Geschäften konnte ich noch gut mithalten, alles was danach kam, stand nur noch unter dem Motto "Zähne zusammenbeißen und durch"! Während Shirley in Shop Nummer XY angeregt nach einem Kleid suchte, wurde mir vom Verkäufer ein kleiner Hocker in einer Ecke angeboten. Er konnte mir wahrscheinlich alles von meinem Gesicht und meiner Körperhaltung ablesen. Ich setzte mich dankbar hin und wartete.

Während ich in dem 10qm Shop so da saß, strömten immer mehr Leute in den Laden. Irgendwann fragte ich mich, wieviele es wohl mittlerweile waren - ich kam auf 15. Ähnlich wie das Phänomen Fahrstuhl: Wenn ich denke es passt keiner mehr rein, finden noch drei weitere Leute Platz. Gott sei Dank war auch irgendwann Shirley ershöpft und hungrig, so dass wir zum Abendessen zu ihr fuhren.



Dienstag, 22. Juni 2010
Karaoke zum Feierabend

Dienstag, 22. Juni 2010

Kurz vor Feierabend kam mein Kollege Bowie zu mir ins Büro und lud mich ein, ihn und sieben andere Kolleginnen und Kollegen zum Karaoke zu begleiten. Ich sagte kurzerhand meinen Chinesischunterricht ab und saß wenig später im Auto Richtung Karaokebar. Vorab sei noch erwähnt, dass in China Karaoke in Kabinen oder kleineren Räumen stattfindet, in denen je nach Gruppengröße zwei bis 15 Leute Platz finden.

Was mich dann erwartete, übertraf meine Erwartungen. Ich betrat keine Karaokebar, sondern einen Karaokepalast. Es reihte sich Karaokeraum an Karaokeraum. Zu unserem gelangten wir nach einem Marsch durch etliche Korridore, die mit Spiegeln und schwarzem Marmor verkleidet waren. Die zum Teil verglasten Türen der Karaokeräume gaben mir den Blick auf trällernde und essende Chinesen frei.

Unser Raum war ausgestattet mit schwarzen Ledersitzen, zwei Tischen, einer dröhnenden Musikanlage und einem riesigen Flatscreen. Durch indirekte Lichtquellen und schwarzem Marmor an den Wänden war die edle Atmosphäre perfekt. Nachdem wir uns am Buffet etwas zu essen geholt hatten, ging es auch schon los. Bevor ich meinen ersten Bissen tat, gab mein Kollege bereits einen chinesischen Popsong zum Besten. Von da an stand das Mikrofon nicht mehr still.

Für mich begann dann nicht nur eine Einführung in das chinesische Popsongrepertoire der letzten zehn Jahre, sondern auch ein Crashkurs in chinesischer Gegenwartskultur. Da meine Kollegen voller Hingabe und ohne Scheu ins Mikrofon krähten, legte auch ich schnell meine Hemmungen ab und versuchte mich an Songs von Michael Jackson, Lady Gaga oder Madonna. Zum Schluß wurde noch ein Battle ausgetragen, wer am lautesten ins Mikrofon grölt und dabei habe ich gar nicht schlecht abgeschnitten. Nach drei Stunden war der Spaß leider wieder vorbei und nachdem, wie in China üblich, einer für alle bezahlt hatte, ging ich zufrieden nach Hause.