Himmlische Ruh!

Freitag, 18. Juni 2010

Shanghai ist eine lebhafte und durchaus laute Stadt. 15 Millionen Menschen auf einem Haufen produzieren auch einen Haufen Geräusche. Umso intensiver erlebe ich die Ruhe, die mich schon einige Male in Shanghai überrascht hat. So geschah es auch diesen Mittwoch, an dem ein Großteil der Chinesen und ich aufgrund eines Feiertages frei hatten.

Am Tag des "Drachenbootfestes" machte ich mich also auf den Weg, um die größte und schönste buddhistische Tempelanlage Shanghais, den Longhua Tempel, zu besichtigen. Auf meinem Shanghai-Stadtplan sah das nach einem einfachen Unterfangen aus - die Wirklichkeit entpuppte sich jedoch wie folgt: Bevor ich diesen ferflixten Tempel erreichte, irrte ich erst einmal einige Stunden bei 30 Grad an acht- und sechs-spurigen Straßen entlang - Warum? Weil mein Stadtplan veraltet, die Straße zum Tempel dementsprechend falsch eingetragen und mein Pfadfinderkampfgeist unwiderruflich geweckt war.


Nach längerer Suche kam der erlösende Wegweiser und ich schlurfte ein klein wenig erschöpft Richtung Tempeleingang.
Was sich hinter dem riesigen Tor verbarg, entschädigte mich für meine Strapazen - eine Oase der Ruhe und Idylle empfing mich. Klar, werdet ihr sagen, ist ja auch 'ne Tempelanlage - was erwartest du. Aber diese Ruhe wirkt in einer Stadt wie Shanghai umso stärker, je länger man an ihren stark befahrenen Straßen entlangirrt.



Und so atmete ich erst einmal tief durch, genoss die Stille, besuchte eine kleine Kunstausstellung, lauschte operettenartigen Gesängen und stärkte mich am Geheimtip meines Markopolo Reiseführers - an selbstgemachter Mönchsnudelsuppe.

Religion erlebt in China derzeit eine Renaissance. Menschen suchen nicht nur Zuflucht im Materialismus, sondern auch im Glauben. Aber das eine schließt das andere auf keinen Fall aus, wie mir eindrucksvoll in der Tempelanlage bewiesen wurde. Überall standen Holzboxen, in die man Geld einwerfen konnte - ob als Spende oder Besänftigung der Gottheiten blieb mir jedoch unklar. Die prachtvollen Schreine der Tempelanlage erstrahlten überall in Blattgold oder wie in folgendem Bild in beeindruckender Vielzahl.
Mögliches Motto: Viel hilft viel!
Auf dem Rückweg besuchte ich noch den angrenzenden sozialistisch angehauchten Märtyrerpark, der mir ein reiches Kontrastprogramm zur altertümlichen Tempelanlage bot. Beim anschließenden Restaurantbesuch gab es leckere Froschschenkel und für die Angestellten offensichtlich mal wieder eine willkommene und unterhaltsame Abwechslung, einer Langnase beim Essen mit Stäbchen zuzuschauen ;)