Bepackt mit reicher Beute ging es auf unserem Shoppingstreifzug weiter in Richtung Antiquitätenläden. Was uns hier erwartete, traf uns jedoch völlig unerwartet - der pure Trödelterror lauerte auf uns! Gott sei Dank hatten wir vorher ausgiebig zu Mittag gegessen, denn das Angebot an Antiquitäten und solche, die es vorgaben zu sein, war enorm und erschlug uns regelrecht. China überzeugte einmal mehr in der Kunst, den Schein zu wahren und regelrechte Meisterstücke der Fälscherei zu produzieren.
Das Ausmaß an (Schein)Antiqitäten, die sich in unzähligen Läden am Straßenrand eines kleinen Viertels ausbreiteten, wurde getopt, als wir spontan in ein Seitentor einbogen und dahinter die Katakomben des Trödels zum Vorschein kamen. Wie in einer Parallelwelt reihte sich dicht zusammengedrängt Laden an Laden auf engstem Raum aneinander. Alles war in einem geordneten Chaos mit alten Möbeln, Geschirr, Schmuck, Lampen, Büchern und was es sonst noch an Dingen des täglichen (Un)Bedarfs auf der Welt gibt, zugestellt. Die Atmosphäre in diesen Gängen war aufgrund tiefhängender Decken, Plunder und Trödel in der noch so kleinsten Ecke, wenig Licht und einem Geruch der Jahrhunderte einzigartig. Die rauchenden Verkäufer unterhielten sich angeregt miteinander, während sie auf alten Möbelstuecken mangt ihren Antiqitäten und sonstigem Ramsch saßen.
Dem Trödelkoller nahe verliessen Iris und ich das Gebiet und stratzten Richtung Yuyuan Basar - dem letzten Konsumtempel für heute. Um dorthin zu gelangen, durchquerten wir einen Teil der noch existierenden Altstadt Shanghais, die neben all der Moderne noch einen Hauch der einstigen Ursprünglichkeit Shanghais bewahrt hat. Der Basar selbst war voll mit Menschen und wir am Limit unseres Shoppingenthusiasmus'. Iris kaufte noch schnell einige Geschenke ein, bevor wir mit dem Taxi zu unserem letzten Ziel dieses Urlaubes fuhren - der weltberühmten Expo.
Gegen halb neun Uhr morgens purzelten wir aus dem Zug direkt in Iris' Geburtstag und ein bereits pulsierendes Shanghai hinein. Nachdem wir in meinem Apartment geduscht und gegessen hatten, machten wir uns sofort wieder auf den Weg Richtung Innenstadt. Unser Ziel war der angeblich schönste Tempel Shanghais, der Jade Buddha Tempel, der sich bei genauerem Hingucken allerdings eher als Konsumtempel mit dem Ziel entpuppte, so viele Geldspenden, Souvenirs und Schnick Schnack Schnulli Bulli an Touristen zu verkaufen wie irgend möglich. Der Tempel war zu einer eierlegenden Wollmilchsau mutiert und hatte meiner Ansicht nach nicht mehr viel mit einem Gotteshaus zu tun.
Danach genossen wir im Spa Dragonfly eine ausgiebige Massage. Iris bekam eine Happy Landing Massage, ich eine Oriental Foot Massage und Pediküre verpaßt. Iris genoß ihre Behandlung durch und durch, während ich mich eher durch meine Fußmassa(ker)ge kämpfte: kräftiger Fleischergriff meiner Masseurin + extremer Muskelkater in meinen Waden vom vielen Treppensteigen die Tage zuvor = schmerzhaft. Nach einer tollen Pediküre machten wir uns anschließend mit aufgepimpten Zehennägeln und durchgeknetetem Körper auf den anderthalbstündigen Fußmarsch, um die Regionen 'Bauch, Beine, Po' mit reichlich leckerem Essen in einem guten Restaurant zu verschönern.
Der Höhepunkt des Tages lag allerdings noch vor oder besser gesagt unter uns - Cocktails und ein Obst-Schokofondue in der Bar Cloud 9 im 87. Stock des Grand Hyatt Hotels
im Jin Mao Hochhaus. Nach einiger Sucherei erreichten wir nach der Nutzung drei verschiedener Aufzüge die elegante Bar. Zu unserem Glück ergatterten wir zur Krönung des Abends einen Tisch am Fenster mit einem großartigen Blick auf Shanghai Downtown und dessen Wahrzeichen, den Oriental Pearl Tower. Der Geburtstag sowie die Aussicht und Gesellschaft war perfekt. Prost und Happy Birthday!
Unser zweiter Tag auf den Gelben Bergen begann sehr früh - um genau zu sein gegen 4 Uhr morgens. Eine Gruppe lährmender und extrem gut gelaunter Chinesen versammelte sich vor unserem Fenster, um dem Sonnenaufgang entgegen zu gehen. Dieser Gruppe folgten weitere, so dass ich gegen 5.30 Uhr entschied, Teil der euphorischen Sonnenanbeter zur werden. Allerdings gehörte ich an diesem Morgen nicht zu den frühen Vögeln, die irgendwelche Würmer fangen, denn als ich endlich am Aussichtspunkt ankam, war das Spektakel 'Sonnenaufgang' vorüber. Für ein paar nette Bilder reichte es dann doch noch.
Iris war zwischenzeitlich aufgestanden und wir gingen gemeinsam zum Frühstück, um uns für den Abstieg zu stärken. Was wir gestern bei unserer Anfahrt mit der Seilbahn zurück legten, wollten wir heute beim Abstieg zu Fuß meistern - vor uns lagen somit acht Kilometer Treppensteigen in Richtung Tal.
Nicht nur die überwältigende Landschaft, sondern auch die Lastenträger hinterließen einen bleibenden Eindruck bei uns. Diese extrem durchtrainierten, kleinen und zäh aussehenden Männer schleppten von jeher auf ihren Rücken und Schultern sämtliche Baumaterialien, Nahrungsmittel und sonstigen Hotelbedarf den Berg hinauf. Auf unserem Abstieg begegneten uns unzählige dieser Träger mit Lasten von bis zu 100 Kilo auf ihren Schultern (pro Kilo verdienen diese Männer 80 Cent). Mit schlechtem Gewissen dachte ich an unsere Riesenportionen im Hotel zurück, die wir nur halb aufgegessen hatten.
Das Unfassbarste war jedoch der Transport zweier tonnenschweren Stahlstützpfeiler, an denen jeweils 20 Männer beteiligt waren. Sie transportierten unter einer extremen Kraftanstrengung, lauten Motivationsgesängen und beeindruckender Teamarbeit die Bauträger acht Kilometer die Treppen bergauf. Mit offenem Mund beobachteten Iris und ich voller Hochachtung das Spektakel, als die Männer an uns vorbei zogen. Allein das Zuschauen erschöpfte mich verweichlichten Büroschwächling.
An der Busstation angekommen, suchten wir aufgrund des Platzregens Unterschlupf im nahegelgenen Geologiemuseum und entdeckten ein 4-D Kino. Selbstverständlich waren wir vorbildliche Touristen und besuchten die effektvolle Vorstellung.
Unser Rückweg in Richtung Bahnhof gestaltete sich zügig, da unser Busfahrer scheinbar unter einem Bleifuß litt. Bei Ankunft in Huangshan City befand sich unser Puls bei 200 und unser Bedürfnis dem Fahrer eine zu klatschen auf dem Höhepunkt. Ein Spaziergang durch die Stadt, ein köstliches Abendessen in einem lokalen chinesischen Restaurant und anschliessender Teeverkostung- und kauf entspannte uns wieder, so dass wir gegen 19 Uhr unsere dreizehnstündige Rückfahrt glücklich und erschöpft antraten.
Nach einer angenehmen dreizehnstündigen Zugfahrt kamen Iris und ich einigermaßen ausgeschlafen in Huangshan City an. Bereits auf dem Bahnhofsvorplatz wurden wir von geschäftstüchtigen Chinesinnen abgepaßt und zu einem eher inoffiziellen Bus gebracht, der uns zu unserem anderthalb Stunden entfernten vorläufigen Ziel, der Stadt Tang Kou am Fuße der Gelben Berge, bringen sollte. Von hier aus ging es mit einem offiziellen Bus weiter zur Seilbahn, welche uns fast bis zur Spitze der Gelben Berge brachte. Bereits während der Seilbahnfahrt eröffnete sich uns die atemberaubende Kuliss der berühmten nebelverhangenen Berge.
Oben angekommen, erreichten wir nach einem halbstündigen Fußmarsch gegen elf Uhr unser wunderschön gelegenes Hotel BeiHai. Der Anfahrtsweg dorthin könnte den Anschein erwecken, dass wir uns in einer verlassenen Bergwelt befinden, in der wir auf einsamen Pfaden gedankenverloren die mystische Natur genießen. Aber da wir in China sind und die Chinesen mit dem wirtschaftlichen Aufschwung auch das Reisen entdeckt haben, schlengelten wir uns mit hunderten von gut gelaunten Touristen die Bergpfade in Richtung Hotel hinauf.
Nach dem Checkin und Mittagessen wanderten wir für den Rest des Tages durch die Berge - hoch und runter, kreuz und quer, über Stock und Stein... Nach fünf Stunden kamen wir völlig erschöpft und hungrig im Hotel an. Was uns dann allerdings zum Abendbrot erwartete, passte dann doch nicht in unsere leeren Mägen - riesige Portionen machten uns schon beim bloßen Hinschauen satt. Letztendlich schleppten wir uns mit randvollen Bäuchen ins Zimmer und plumpsten auf die in China üblichen steinharten Betten, um für die nächsten Stunden in einen glücklichen, aber unruhigen Schlaf zu fallen....
Nach fast zwei Stunden Fahrt mit der Metro erreichte ich endlich den Pudong Flughafen im östlichsten Osten Shanghais (ich wohne im Südwesten). Ich stellte mich an den Ausgang für die eintreffenden internationalen Fluggäste und wartete....und wartete....und wartete.... nach einer Stunde Warten, hunderten von Gesichtscans und keiner Iris, beschlich mich ein ungemein ungutes Gefühl. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass es ein zweites Ankunftsgate für internationale Flüge gab. Nicht zum letzten Mal an diesem Tag nahm ich meine Beine in die Hand und rannte zum anderen Ende des FLughafens. Aufgelöst dort angekommen, entdeckte ich eine noch aufgelöstere Iris, die sich bei meinem Anblick unter Tränen in meine Arme schmiss. Nach einer Stunde des Wartens und Bangens hatte sie sich bereits sämtliche Horrorszenarien ausgemalt, wie sie ohne Geld und meine Kontaktdaten die nächsten Tage in Shanghai überleben sollte.
Glücklich vereint sprangen wir ins Taxi, dass sich verfuhr und uns erst nach einem nicht unwesentlichen Umweg an meinem Apartment absetzte. Die Uhr tickte bereits.... Nach einer kurzen Verschnaufspause ging es mit der Metro zum nördlich gelegenen Bahnhof. Vierzig Minuten später, einem Puls von 200, keiner Info über den anzusteuernden Bahnsteig und noch drei Minuten Zeit bis zur Abfahrt rannten wir bei 40 Grad Außentemperatur wie von der Tarantel gestochen in den Bahnhof, durch die Taschen- und Personenkontrolle hindurch, die Rolltreppen hinauf, um in einem 100 Meter Endspurt unseren Zug natürlich am letzten Bahnsteig mit Ach und Krach zu erwischen.
Fix und fertig aber überglücklich und stolz auf unsere sportliche Höchstleistung fanden wir uns in unserem Schlafabteil ein, welches wir mit vier chinesischen Fahrgästen teilten. Nachdem wir zu Abend gegessen und uns mit einigen Chinesen unterhalten hatten, steckten wir uns unsere Ohrstöpsel in die Ohren und schliefen mit Unterbrechungen bis sechs Uhr des nächsten Tages durch.
Nachdem ich von Yings Hunden stürmisch begrüßt und abgeschlabbert wurde, änderten wir den Plan ein wenig und fuhren bei der gemeinsamen Baustelle von Ying und ihrem Freund vorbei. Beide wollen heiraten, was aus traditioneller Sicht erst möglich ist, wenn der Bräutigam der Braut ein Haus zur Verfügung stellen kann, in dem das gemeinsame Leben als verheiratetes Paar beginnt. Finanziert wird der Hausbau zum Großteil von Yings Schwiegereltern, die bereits den ersten Stock bewohnen. Ying und ihr zukünftiger Mann werden die gesamte obere Etage bewohnen, während zwei Wohnungen im zweiten Stock vermietet werden sollen. An dem Hausbau sind nicht nur Wanderarbeiter beteiligt, welche aus dem ländlicheren China in die chinesischen Großstädte kommen, um Arbeit zu finden, sondern auch Ying, ihr Freund und Familie, sowie Bekannte und Verwandte. Die chinesische Regierung unterstützt solche Bauprojekte, da so mehr Wohnraum für die stetig wachsende Shanghaier Bevölkerung geschaffen wird.
Anschließend fuhren wir auf den Markt, den ich in ähnlicher Form bereits in Russland gesehen habe. Alles wurde frisch dargeboten, wobei das Aussehen des Gemüses zusätzlich durch die ein oder andere grüne Neonlichtlampe direkt über dem Stand dezent aufpoliert wurde. Die große Auswahl an Gewürzen, Hülsenfrüchten, Dörrobst, selbstgemachten Nudeln und verschiedenen Reissorten war überwältigend. Das einzig Irritierende für meine deutschen Augen war die Darbietung des Fleisches, welches ungekühlt auf den Ständen liegend verkauft wurde. Auch eine Fliege hier und da, gierig am Schweineäuglein oder Hühnerhals nuckelnd, war zu sehen.
Anschließend ging es wieder zurück zur Baustelle, um die Eltern und einen Bekannten fürs Abendessen einzusammeln. Bei strömendem Regen und fast Schritttempo fuhren wir in ein nahegelegenes lokales Restaurant. Dort gab es ein tolles und ausgiebiges Abendessen, lebhafte Gespräche bei ausgelassener Stimmung und wunderbar gekühltes Bier :)
Mit der Metro und dem Mopedtaxi erreichte ich am frühen Nachmittag das Waldgebiet. Bei der mittaglichen Hitze waren zu meiner Freude kaum weitere Besucher da. Sogleich begann ich mit meiner Wanderung durch das Bambuswäldchen, als ich an einer all zu verlockenden Bank vorbeikam. Ich zögerte keine Sekunde und machte es mir eine ganze Weile lang mit meinem Buch Factory Girls: From Village to City und einem tollen Blick ins Grüne gemütlich.
Irgendwann ging es weiter bergaufwärts. Auf meinem Weg blieb ich für einen Moment dicht am Straßenrand mit dem Gesicht Richtung Berghang stehen, um den von dort kommenden kühlenden Luftzug zu genießen. Plötzlich hielt ein Auto hinter mir an. Mit verdutztem Gesicht wurde ich vom Beifahrer gefragt, ob ich Hilfe bräuchte. Da ich wahrscheinlich wie ein Selbstmörder kurz vor dem Sprung ausgesehen haben muss, erklärte ich, dass ich lediglich die frische Luft und Aussicht genieße. Bei 35 Grad im Schatten eine wohl eher schwer nachzuvollziehende Beschäftigung?! Hm, ein wenig irritiert bog ich wieder in den Wald ab, um ungestört in der Gegend rumstehen zu können.
Auf dem "Gipfel" angekommen, genoß ich ein Eis und die Unterhaltungen mit einigen Chinesen, die ihr Englisch verbessern wollten. Wie so oft wurde ich nach meiner Herkunft gefragt, die nach Bekanntgabe kurz untereinander diskutiert oder wissend abgenickt wurde. Wie eine Langnase sehe ich alle mal aus und so machte ich mir über mein Aussehen keine weiteren Gedanken und begann den Abstieg.
Die letzte kleinere Hürde für den heutigen Tag war die Preisverhandlung mit dem all zu geschäftstüchtigen Mopedtaxifahrer, der das Fünfache des Preises verlangte. Aber nach zweieinhalb Monaten Shanghai habe ich mittlerweile meine Taktik gefunden: Meinen gewünschten Fahrpreis nennen (dank Untrerricht jetzt auch auf Chinesisch möglich) und dann auf die nächste Traube wartender Taxifahrer zuschlendern. In den meisten Fällen lenkt der Taxifahrer ein und ich bekomme den "normalen" Preis :)
Meine Kollegin Zoe hat mich eingeladen, mit ihr nach Feierabend Badminton spielen zu gehen. Zoes Freundin Amanda und deren Arbeitskollegen spielen regalmäßig gemeinsam Federball, da die Platzmiete vom Unternehmen gesponsert wird. Hier nennt man das "Teambuilding Maßnahmen". Da Shanghai einfach eine riesige Stadt ist, gibt es selten kurze Wege. Nach ca. einer Stunde Metrofahrt kamen wir an der Sporthalle an, zogen uns geschwind um und standen endlich auf dem Platz!
Nach weniger als fünf Minuten sportlicher Betätigung war ich total durchgeschitzt. Das lag nicht allein an meiner schwachen Kondition, sondern auch an den 35 Grad Raumtemperatur. Trotzt der Hitze schlugen wir uns die Federbälle um die Ohren und hatten viel Spaß. Einmal mehr war ich von der Aufgeschlossenheit und Unkompliziertheit der Chinesen beindruckt, die mich sofort ins Spiel und den gesamten Abend integrierten.
Anschließend lud uns der Chef von Zoes Freundin zum Essen in ein kantonesisches Restaurant im Businessdistrikt Pudong mit Blick auf den Bund ein. Das Essen war wie so oft in Shanghai köstlich, abwechslungsreich und reichlich. Satt und müde machten wir uns gegen 22 Uhr auf den einstündigen Heimweg.
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